Erworbener Fibrinogenmangel

Der erworbene Fibrinogenmangel entwickelt sich unter anderem im Rahmen von schweren Blutverlusten. Durch die Kombination aus Verlust, Verbrauch und Dilution von Gerinnungskomponenten entsteht eine komplexe Gerinnungsstörung. Ein erworbener Fibrinogenmangel ist ein viel häufigeres Krankheitsbild als der angeborene Mangel. Die kritische Grenze für Fibrinogen liegt bei <1,5 g/l bei einem erworbenen Mangel (Abb.1).

Abb. 1: Die kritische Grenze bei Fibrinogenmangel liegt bei <1,5 g/l; * in einigen Guidelines und Publikationen ist diese Grenze erweitert auf den Bereich 1,5-2,0 g/l. Kozek-Langenecker et al. Eur J Anaesthesiol 2017; 34:332–395 und u. a. Lier und Fries Transfus Med Hemother 2021 Oct 29; 48(6):366-376.

Ursachen sind vielfältig

Neben der Verbrauchs- und Dilutionskoagulopathie oder einem hohen Blutverlust kann auch eine Hyperfibrinolyse zu einem Fibrinogenmangel führen. Zudem reduziert eine Synthesestörung infolge diverser Lebererkrankungen den Fibrinogenspiegel (Abb. 2). Massive Verluste treten etwa bei Traumata, größeren Operationen oder bei postpartalen Hämorrhagien auf. Auch Grunderkrankungen können eine Verbrauchskoagulopathie verursachen. Dazu gehören u. a. onkologische Erkrankungen i. d. R. meist hämatologische Entitäten. 

Abb. 2: Fibrinogenmangel kann viele verschiedene Ursachen haben. Diese reichen von massivem Blutverlust über einen erhöhten Verbrauch bis hin zu Synthesestörungen aufgrund einer Lebererkrankung.

Fibrinogen-Mangelzustände können durch Bildungsstörungen (z.B. bei Leberschäden), durch massive Blutverluste (z.B. durch Trauma, Operation oder während der Geburt), Hämodilution (z.B. bei Massivtransfusionen) oder im Rahmen von schweren Gerinnungsstörungen auftreten (Tab. 2).

Dilutionskoagulopathie
Eine massive Flüssigkeitsgabe durch Erythrozyten, FFP und intravenösen Flüssigkeiten ohne den Ersatz von Thrombozyten oder Gerinnungsfaktoren kann zur Verdünnung von Pro- und Antikoagulatoren führen. Dies führt zu einem Verlust der Gerinnungsfähigkeit des Blutes und wird häufig bei Massivtransfusionen beobachtet. Das Ergebnis ist das Auftreten einer Thrombozytopenie und ein Fibrinogenspiegel unter 1,5 g/l.
Massiver Blutverlust
Eine Massivblutung kann durch die Blutungsgeschwindigkeit (150 ml/min) und das verlorene Blutvolumen definiert werden: ein Blutvolumen (etwa 70 ml/kg bei einem Erwachsenen) innerhalb von 24 Stunden oder 50 % des Gesamtvolumens in weniger als 3 Stunden.
Hyperfibrinolyse
Im Falle einer Hyperfibrinolyse werden Blutgerinnsel bereits während ihrer Entstehung wieder aufgelöst, wodurch eine adäquate Thrombozytenaggregation und Gerinnselbildung von Beginn an verhindert wird. Als Ursache gelten häufig zu hohe Konzentrationen von Plasmin, ein Schlüsselfaktor, der für den Abbau von Fibrin verantwortlich ist. Die Hyperfibrinolyse führt zu Blutungen und wird bei Patienten mit Lebererkrankungen, Traumata und chirurgischen Eingriffen beobachtet.
Verbrauchskoagulopathie
Bei einer Verbrauchskoagulopathie steht die Verringerung von Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten durch Gerinnselbildung im Vordergrund. Dies ist oft bei Polytraumen oder größeren Operationen der Fall. Im engeren Sinn wird der Begriff Verbrauchskoagulopathie auch oft für das Krankheitsbild DIC benutzt.
Reduzierte Synthese
Hämostase und Leberfunktion sind eng miteinander verbunden, da Hepatozyten für die Synthese der meisten Gerinnungsfaktoren und auch der natürlichen Antikoagulanzien verantwortlich sind. Somit haben Patienten mit Leberzirrhose hämostatische Veränderungen aufgrund einer gestörten Synthese von gerinnungsfördernden und gerinnungshemmenden Faktoren. Im klinischen Alltag wird eher ein erhöhtes Thromboserisiko beobachtet. Bei blutenden Patienten mit Leberinsuffizienz kann hingegen eine thrombelastometriegesteuerte Substitution des Fibrinogens nötig sein und z. B. zu einer Reduktion des Transfusionsbedarfs beitragen.
Angeborener Fibrinogen-Mangel

Ein angeborener Fibrinogen-Mangel kann sich durch das komplette Fehlen von Fibrinogen äußern (angeborene Afibrinogenämie) oder in einer herabgesenkten Konzentration im Blut (angeborene Hypofibrinogenämie). Beide Krankheitsbilder entstehen normalerweise durch eine Mutation in einem der drei Fibrinogengene (FGA, FGB oder FGG) auf Chromosom 4. Betroffene leiden an unkontrollierbaren Blutungen und Gerinnungskomplikationen. Wie stark die Auswirkungen durch eine Hypofibrinogenämie sind, hängt vor allem von der Qualität des noch vorhandenen Fibrinogens ab und kann von komplett asymptomatisch bis zu schweren Blutungen selbst bei kleinen Traumata reichen. Angeborene Fibrinogen-Mangel werden somit in zwei Typen eingeteilt:

Typ 1: quantitativer Mangel

Typ 2: qualitativer Mangel

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